International hat der Fußballklub Paris Saint-Germain in den letzten Jahren keinen Blumentopf gewonnen – seine Trikots gehören dennoch Jahr für Jahr zu den gefragtesten weltweit. Über eine Million Stück verkaufte PSG in der vergangenen Saison – ein lukratives Geschäft, kosten die Synthetik-Shirts doch über 100 Euro. Was ist das Verkaufsgeheimnis? Was hat Rap damit zu tun? Und welche Trikots könnten in der kommenden Saison auch Käufer jenseits der eingefleischten Fans finden?
Damit ein bestimmtes Trikot zum angesagten Trend-Produkt wird, müssen zahlreiche Faktoren zusammenkommen. Sportlicher Erfolg der Mannschaft ist wichtig, noch besser allerdings sind Einzelspieler mit einem übersteigerten Selbstbewusstsein. Exzentriker wie etwa Zlatan Ibrahimovic, Karim Benzema oder Cristiano Ronaldo (die nebenbei auch ganz ordentlich kicken können). Der Hip-Hop liebt genau diese Typen. Die Subkultur gilt seit Jahren als verlässlicher Trend-Generator – vor allem modisch – und hat schon den Trainingsanzug gesellschaftsfähig gemacht. Aktuell sind es also die Fußballtrikots. Ganz besonders jene von Spielern, die sich nach schwerer Kindheit in den Banlieues und Problemvierteln dieser Welt vom Bolzplatz in die Champions League geschossen haben. Im Grunde zeigt diese Entwicklungen die endgültige Emanzipation vom amerikanischen Hip-Hop. Warum denn auch Basketball-Trikots? Im Rest der Welt regiert der Fußball.
Im Hintergrund liefern sich die Sportartikelhersteller einen erbitterten Konkurrenzkampf. Mit Juventus Turin und Real Madrid stattet Adidas die beiden Klubs mit der momentan größten internationalen Strahlkraft aus – die kreativeren Designs hingegen kommen von Nike. Das Trikot, das am meisten heraussticht, wird jedoch von Hummel produziert, einem mittelständischen Unternehmen aus Dänemark.Für die kommende Saison greifen viele Hersteller in die Trickkiste des Retro-Designs. Das dürfte neben all den jungen Hip-Hoppern dann auch die Oldschool-Fußballfans abholen.
1. Juventus Turin
Vor drei Jahren wurde die „Alte Dame“ aus Turin für ihr modernisiertes Vereinswappen verspottet. Seit Cristiano Ronaldo 2018 dort spielt, stören sich nur noch hartgesottene Anhänger am stilisierten „J“. Im ersten Jahr verkaufte der Verein innerhalb von nur 24 Stunden 520.000 Trikots mit dem Namen des mehrfachen Weltfußballers. Das neue Trikot ist klassisch schwarz-weiß gestreift mit goldenen Details. Fans von Ronaldo gefällt genau dieser Prunk. Wahrscheinlich unfreiwilliges Highlight: Das Muster der schwarzen Streifen ist unregelmäßig auf den Stoff gedruckt. Optisch unterscheiden sich die Trikots dadurch minimal voneinander.
2. FC Bayern München
In der Rangliste der meistverkauften Fußballtrikots landet der deutsche Rekordmeister zwar jährlich unter den ersten fünf (2019 sogar auf Platz drei), doch den Münchnern fehlt es an kreativen Trikots und Ego-Kickern, die hippe Kids begeistern. Schwer vorstellbar, dass sich aufstrebende Rapper aus Berlin, London oder Paris mit München oder ihrem Aushängeschild Thomas Müller identifizieren. Das neue Auswärtstrikot dürfte trotzdem funktionieren. Es ist schlicht, und verwaschene Farbtöne sind aktuell angesagt. Außerdem spielt der größte nationale Konkurrent, Borussia Dortmund, kommende Saison in einem furchtbaren Tigerstreifen-Shirt.
3. Inter Mailand
Trikotsponsor ist nicht gleich Trikotsponsor. Der Geflügelzüchter Wiesenhof (Werder Bremen) oder das Erdgasunternehmen Gazprom (u.a. Schalke 04)? Dann schon lieber der Reifenhersteller Pirelli mit seinem ikonischen Schriftzug. Der Mailänder Verein wirbelte Anfang der 2000er mit diesem Trikotsponsor und einem blutjungen Ronaldo (dem brasilianischen Original) ganz Fußball-Europa durcheinander. Das neue Trikot erinnert an jene Zeit, das Zickzackmuster lässt die Neunziger neu aufleben.
4. Real Madrid
Die Königlichen spielen immer in weißen Trikots. Zu Hause. Umso knalliger fallen deshalb die Auswärtstrikots aus. In der kommenden Saison spielt Real in einem auffälligen Koralle-Farbton. Rosa war in den vergangenen Spielzeiten schon bei anderen Clubs wie zum Beispiel Juventus Turin zu sehen – der kanadische Rapstar Drake trug damals so ein Shirt und löste einen Hype aus. Der neue Farbton ist eine konsequente Weiterentwicklung, auch wenn der V-Kragen momentan (noch) nicht besonders angesagt ist.
5. Club América
Seit Mitte der 2010er-Jahre prägt der Athleisure-Trend die Mode, hier verschmelzen Sport- und High Fashion. Gerade sind außerdem Statement-Pieces angesagt: Kleidungsstücke, die durch einen Stilbruch oder Schriftzug herausstechen. Das Trikot des mexikanischen Vereins Club América aus Mexiko-Stadt erfüllt beide Kriterien. Das dreifarbige geometrische Muster fällt auf, die gedeckten Farben passen zum grünen Rasen in der betongrauen Großstadt. Plus: Lateinamerikanische Vereine haben oft mehrere Trikotsponsoren, und übergroße Logos findet man momentan auch bei Marken wie Fendi oder Burberry. Einzig der markante Corona-Schriftzug könnte für Verwirrung sorgen.
6. Forward Madison FC
Der Vereinsname erinnert an ehemalige ostdeutsche Vereine wie Vorwärts Berlin, der Klub aus Wisconsin spielt jedoch in der League One, der zweithöchsten amerikanischen Spielklasse. Seine Trikots hingegen sind erstklassig, im vergangenen Jahr wurde das Design von amerikanischen Fußballfans als schönstes Trikot weltweit ausgezeichnet. Auch für die kommende Saison hat Forward Madison einen besonderen Entwurf präsentiert. Das als „Drip Kit“ getaufte Trikot entstand durch einen künstlerischen Prozess, bei dem Ölfarben und Wasser in einem Bottich gemischt werden, bevor eine Leinwand hineingetaucht wird. Hersteller der Trikots ist die kleine dänische Firma Hummel.
7. FC Arsenal
Mit dem Gewinn des FA Cups holten sie in der vergangenen Woche endlich mal wieder einen Titel. Vielleicht auch deshalb wühlte sich Ausrüster Adidas auf der Suche nach Inspiration für das neue Trikot durch die Vereinshistorie. Das Ergebnis ist ein schlichtes Trikot im vereinstypischen Rot mit weißen Ärmeln, das Muster soll an die späte Art-déco-Ära erinnern, denn in der Saison 1930/31 gewann Arsenal zum ersten Mal die Meisterschaft. Und wie es Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang auf dem Foto schon zeigt: Das Trikot macht sich auch in Kombination mit viel Bling-Bling gut.
8. Paris Saint-Germain
Kein Verein hat den Trikot-Trend in den letzten Jahren so geprägt wie PSG. Verpflichtungen von polarisierenden Superstars wie Ibrahimovic oder Neymar sorgten für einen reißenden Shirt-Absatz, doch auch der Ausrüster Nike spielte dabei eine wichtige Rolle. In der Saison 2018/19 prangte anstelle des Swoosh-Logos jenes von Air Jordan auf der Brust der Franzosen; eine Sub-Marke von Nike, die aber besonders bei Streetstyle-Anhängern beliebt ist. In Kombination mit der internationalen Strahlkraft, die Paris als Modemetropole genießt, entwickelte sich das Trikot zum Fashion-Piece. Das aktuelle Shirt feiert das 50-jährige Vereinsjubiläum, deswegen der Retro-Ansatz mit Stehkragen.
9. Shanghai Dongya F.C.
Der Berliner Rapper Symba im Trikot von Shanghai Dongya. Er dürfte weniger Fan des Vereins, sondern viel mehr des Trikot-Styles allgemein sein. Chinesische Klubs genießen unter Fußballfans nicht den besten Ruf: eine mit viel Geld aus dem Boden gestampfte Liga, die Vereine locken alternde Stars mit unmoralischen Gehaltsangeboten. Wer allerdings die Fußballromantikbrille ablegt, dem erschließt sich ein ganz eigenes Stil-Universum. Die Wappentiere reichen vom brennenden Tiger (Guangzhou Evergrande), über den obligatorischen Drachen (Hebei China Fortune F.C.) bis zum Adlerkopf (Shanghai Dongya). Und Hulk ist hier kein grünes Monster, sondern ein Spieler bei Shanghai Dongya. Und das sollte als Grund für ein Trikot doch völlig ausreichend sein.
Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.
Folgen Sie uns unter dem Namen ICONISTbyicon auch bei Facebook, Instagram und Twitter.
August 10, 2020 at 12:37PM
https://ift.tt/3kq25Ux
Stoff zum Träumen: Die neuen Fußballtrikots im Hype-Check - WELT
https://ift.tt/2VCwpQT
Stoff
0 Comments:
Post a Comment